Ein Klassiker wird grün – die nachhaltige Transformation vom “Tatort”

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Sonntag, 20:15 Uhr, ARD, bereits der erste Ton der Titelmelodie verrät: gleich sehen wir Ermittler:innen, die (mindestens) einen Mord aufklären wollen. Was wir nicht sehen: 100 bis 140 Tonnen CO2, die durchschnittlich pro Tatort-Produktion ausgestoßen werden. Das ist ungefähr so viel wie ca. 10 – 17 Menschen in Deutschland im Jahr verbrauchen. Ganz schön viel für 90 Minuten Unterhaltung. 

Großes Einspar-Potenzial

Das muss aber nicht so sein, haben schon mehrere Tatort-Produktionen entschieden und  umweltschonende Maßnahmen umgesetzt. So konnten zum Beispiel beim Ludwigshafener Tatort „Maleficius“ im Jahr 2019 die ausgestoßenen Emissionen um 43% auf 79 Tonnen gesenkt werden. 

Green Film – nachhaltige Produktionsweisen

Und wie gelingt das? Die Antwort heißt Green Film. Dafür wurden die ökologischen Mindeststandards ins Leben gerufen, die Green Film zur Norm zu machen sollen. Dieser Ansatz befasst sich damit, wie Filmproduktionen nachhaltiger gestaltet werden können und wie Material und Emissionen eingespart werden können. Viele Bundes- und Landesförderungen sind an die Einhaltung der Vorgaben geknüpft, die nachhaltige Produktionsweisen vorgeben und zahlreiche Produktionen wurden und werden so bereits nachhaltiger umgesetzt. Im konkreten Fall vom Tatort „Maleficius“ bedeutet das, dass zum Beispiel in den sehr umweltschädlichen Bereichen Reisen und Transport umfassende Änderungen stattgefunden haben: statt Flugreisen wurde die Bahn zur Anfahrt an den Drehort genutzt und in Ferienwohnungen statt in service-intensiven Hotels geschlafen.

Außerdem wurde in der Planung eines Film auch darauf geachtet, so viel wie möglich an den selben Orten zu drehen, um auf Fahrten und Materialtransporte zwischen den Drehorten zu verzichten. Dadurch werden nicht nur die Wege gespart, sondern auch viel Zeit, die der Auf- und Abbau sonst in Anspruch nehmen würde – und damit auch Geld. Nicht zuletzt ist das also auch ökonomisch eine sinnvolle Entscheidung.

Kein Fleisch auf dem Mehrwegteller

Großes Einspar-Potenzial gibt es auch beim Catering. Werden regionale, vegetarische Speisen angeboten, verringert sich der CO2-Ausstoß um die Hälfte im Vergleich zu konventioneller Mischkost. Und dieser kann noch weiter verringert werden, wenn kein Einweg-Geschirr genutzt wird, sondern ein Mehrweg-System eingeführt. Generell geht es beim Green Film darum, jegliches Material, das nur zur einmaligen Nutzung gedacht ist, so weit wie möglich zu vermeiden und stattdessen auf nachhaltigere Optionen zurückzugreifen – dies betrifft nicht nur das Catering, sondern beispielsweise auch das Kostüm und die Requisiten. Der Tatort „Maleficius“ macht also sehr deutlich, dass viel getan werden kann, um umweltfreundlicher zu arbeiten.  

Green Storytelling

Aber Unterhaltung kann nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera nachhaltig gestaltet werden. Ein Beispiel dafür sind die Tatort-Filme aus Münster. Regelmässige Zuschauer:innen kennen sicher das Duo, bestehend aus dem exzentrischen Rechtsmediziner Boerne und dem bodenständigen Kommissar Thiel. Die beiden könnten nicht gegensätzlicher sein, und das zeigt sich auch in ihrem Lifestyle. Während Boerne großen Wert auf Luxus und schnelle Autos legt, ist Thiel eher unauffällig und fährt mit dem Fahrrad durch die Stadt. 

Auf dem Fahrrad Richtung Sympathie

Und das ist der Punkt: Thiel ist den Zuschauenden sympathisch, trifft einleuchtende Entscheidungen – und fährt Fahrrad. Das wird im Film nicht als große Geste der Nachhaltig thematisiert, es ist einfach so. Und es passt zu Münster, einer Stadt, die für ihre Fahrradfreundlichkeit bekannt ist. Nachhaltigkeit wird also nicht explizit angesprochen, sondern ist implizit ins Verhalten des sympathischen Hauptcharakters eingeschrieben. Im Gegensatz dazu steht der schrille Boerne, der große Reden schwingt und sich damit selbst oft in die Bredouille bringt – das mag einen Kultfaktor haben, macht ihn aber nicht unbedingt zum Sympathieträger. Dass er mit seinem Sportwagen nicht durch die engen Gassen der Stadt kommt und damit den Fall auch mal aufhält, ist ein passendes Bild: viele (Luxus-)Artikel schaden nicht nur der Umwelt, sondern sind auch oft nicht praktisch. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie implizites Green Storytelling im Tatort umgesetzt wird. Den Zuschauenden wird umweltfreundliches Verhalten auf natürlichem Wege gezeigt, ohne dass es einen belehrenden, einschränkenden Charakter hat. 

Nachhaltig produzieren? Na, selbstverständlich!

Auch wenn nicht alle Tatort-Filme diese Aspekte des Green Shooting und Green Storytelling aufweisen, zeigen diese beiden Beispiele dass es sehr wohl möglich ist, selbst eine Institution wie den Tatort und damit auch die Zuschauenden für das Thema nachhaltige Filmproduktion zu sensibilisieren. 

Mit den ökologischen Mindeststandards wurde ein wichtiger Grundstein gelegt, um Green Film zur Norm zu machen. Bleibt nur zu hoffen, dass die aussagekräftigen Zahlen über das Einspar-Potenzial bei Filmen immer mehr Firmen motiviert, ihre Produktionen nachhaltig zu gestalten. Denn dass es möglich ist, steht nicht zur Debatte. Und wäre es nicht schön, wenn nachhaltiges Handeln in Filmen zur Selbstverständlichkeit wird?

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